Abschied nach 15 Jahren für Kinder und ihre „Rucksäcke“

Ehepaar Emke stand Landkreis langjährig als Pflegeeltern zur Verfügung
17.12.2024
Die Tiere waren im Umgang mit den Kindern als Pflegeeltern wichtig und hilfreich: Das Ehepaar Andreas und Adelheid Emke mit dem Hund Amy und Pony Hardwyn.
Dank für 15 Jahre in der Bereitschaftspflege an Adelheid und Aandreas Emke: Peter Uchtmann (v.l.), Mechtild Penning, Alexandra Bomke, Sandra Mensing, Hildegard Wübben-Siefer

Landkreis Cloppenburg. Das wichtigste Utensil als Pflegemutter, das ist ein bequemer Sessel, sagt Adelheid Emke rückblickend auf die vergangenen 15 Jahre als Anbieterin von Bereitschaftspflege. „Da kann man die ersten 14 Tage und Nächte Känguru sein, denn die Kleinen brauchen ganz viel Nähe.“ Das sieht ihr Mann Andreas Emke genauso: „Jedes Kind kommt mit seinem eigenen Rucksack voller Leidensgeschichte. Da kommen Situationen bei diesen speziellen Kindern, die man sich vorab noch nicht vorstellen kann.“ Als Pflegeeltern hatte das Ehepaar Emke eine wichtige Aufgabe übernommen: Wenn das Jugendamt entscheidet, Kinder schnellstmöglich aus dem eigenen Elternhaus zu nehmen und in Sicherheit zu bringen, kamen sie vorübergehend bei ihnen in der Gemeinde Emstek unter.

„Für Kinder ist das erstmal ein Schock, aus der Herkunftsfamilie gerissen zu werden. Der Vorteil von Pflegeeltern ist, dass wir die Kinder schnell an einen Ort bringen können, an dem sie erstmal zur Ruhe kommen können bis geklärt worden ist, wie es langfristig für sie weitergeht“, erklärt Hildegard Wübben-Siefer vom Jugendamt des Landkreises. Es gebe für kleine Kinder zwar auch Wohngruppen, jedoch könnten diese nicht die engmaschige Betreuung leisten, die Pflegeeltern bieten. „Es kann sein, dass ein Säugling kommt, ein Drei- oder Sechsjähriger oder auch Geschwister – die versuchen wir nicht zu trennen.“

Nach einem so traumatischen Erlebnis brauchen die Kinder Ruhe und Kontinuität. „Wir haben mit den Kindern keine Ausflüge mehr gemacht, weil wir erkannt haben, dass das vieles kaputt macht“, erinnert sich Andreas Emke. Man sehe oft am Anfang welches Elend da ankomme und freue sich, wenn nach dem ersten Schock wieder langsam die Sonne aufgehe. „Es sind ja normale Kinder, die aber oft schreckliches erlebt haben. Wir hätten vorher nicht gedacht, dass es so viele Kinder bei uns gibt, die so ein Schicksal haben. Davon bekommt man nichts mit.“ Insgesamt 20 Pflegekinder sind über die Jahre verteilt bei ihnen gewesen. „Manche hatten panische Angst vor Dingen, die wir erst herausfinden mussten. Andere blühten mit der Zeit richtig auf. Dabei waren unsere Tiere wichtig und hilfreich“, erzählt Andreas Emke, der mit Adelheid Ponys und Hunde besitzt.

Die Entscheidung, Kinder zunächst bei Pflegeeltern unterzubringen, kann und darf sich das Kreisjugendamt nicht leicht machen. „Ich erinnere mich an einen Fall, wo die Mutter und ihr Umfeld vollkommen überfordert waren. Die Entscheidung, das Kind beim Ehepaar Emke unterzubringen kam, als die Mutter ihr Kind in Oldenburg vergessen hatte“, berichtet Hildegard Wübben-Siefer. Auch bei Drogenproblemen, Gewalttaten oder ähnlichen Extremsituationen muss das Jugendamt tätig werden. Auf Menschen wie das Ehepaar Emke sei man angewiesen, um die Kinder schnell in gute Hände geben zu können, bis klar ist, wie es weitergehen kann. „Wir suchen in diesem Bereich immer Menschen, die Bereit sind, die Bereitschaftspflege zu übernehmen“, betont Wübben-Siefer.

„Wir hatten genug Platz, standen auf der Sonnenseite des Lebens. Da wollten wir anderen Kindern eine Chance geben“, erinnert sich Adelheid Emke an den Anfang im Jahr 2009. „Zuerst haben wir mit unseren eigenen Kindern gesprochen und die waren auch dafür. Wir haben in der Zeit immer wieder mit ihnen darüber gesprochen und auch von ihnen Unterstützung erhalten“, sagt der Vater von fünf Kindern und heutige Opa von sieben Enkelkindern. Über die Zeit nahm das Ehepaar zwei Dauerpflegekinder auf. Ein Junge blieb acht Jahre, wobei der Kontakt noch lange gehalten wurde. Eine Pflegetochter wohnt seit 15 Jahren bei ihnen. Auch Flüchtlingskindern boten die Emkes zwischenzeitlich von sich aus ein Zuhause.

Ohne Gefühle, ohne eine Verbindung zum Kind sei diese Aufgabe nicht zu bewältigen. „Man muss sich aber vor Augen führen: Es ist nicht das eigene Kind, man ist nur eine bestimmte Zeit für es da“, sagt Adelheid Emke, die die Kinder immer selbst zur nächsten Lebensstation brachte, damit das Kind auf dem Weg nicht noch ein neues Gesicht sehen muss. „Ein Stückchen Herz geht da bei jedem Kind trotzdem mit.“ Aber das stehe trotzdem nicht im Verhältnis zu den vielen positiven Erfahrungen und Glücksmomenten, die man durch den Umgang mit den Kindern erlebt habe. „Diese Erfahrungen kann uns keiner nehmen, wir würden uns heute wieder dazu entscheiden eine Bereitschaftspflege anzubieten“, betont Adelheid Emke.

Als Dank für die lange Zeit und die liebevolle Umsorgung so vieler Kinder in Notlagen dankte das Jugendamt dem Ehepaar in diesem Jahr mit dem großen Wappenteller des Landkreises. Denn nach vielen Jahren widmet sich das Paar nun seinem Ruhestand von dieser Aufgabe und benötigt die Räume zudem für die eigene Familie. „Sie waren immer mit dem Herz dabei und für uns zuverlässige Partner für das Kindeswohl“, betonte Jugendamtsleiter Peter Uchtmann in Vertretung von Landrat Johann Wimberg, dankbar für 15 Jahre treue Partnerschaft für das Kindeswohl.

Das Jugendamt ist immer auf der Suche nach

  • Pflegefamilien für Kinder, die vorübergehend oder auf Dauer nicht bei ihren Eltern leben können,
  • Kurzzeitpflegefamilien (begrenzte Vollzeitpflege) für Kinder deren Eltern kurzzeitig z.B. wegen eines unerwarteten Krankenhausaufenthaltes, einer Kur oder einer Inhaftierung ausfallen,
  • Bereitschaftspflegefamilien, die Kinder kurzfristig aufnehmen, wenn eine dem Kindeswohl gefährdende Situation vorliegt,
  • Sonderpflegefamilien für Kinder aller Altersgruppen im Falle von seelischen oder körperlichen Beeinträchtigungen.

Der Weg zur Pflegefamilie im Landkreis Cloppenburg umfasst mehrere Schritte: Nach einem ersten Informationsgespräch im Jugendamt erhalten Interessierte die Bewerbungsunterlagen. Diese beinhalten persönliche Nachweise wie Einkommensbescheinigungen, Führungszeugnisse und gesundheitliche Eignungsnachweise sowie Fragebögen zu Lebensumständen und Vorstellungen. Anschließend folgt ein Hausbesuch zur persönlichen Einschätzung und ein dreitägiges Vorbereitungsseminar. Nach erfolgreicher Teilnahme werden Eignungsgespräche geführt. Bei der Vermittlung eines Kindes unterstützt das Jugendamt den Kennenlernprozess und entscheidet gemeinsam mit der Familie über die Aufnahme. Auch nach der Aufnahme bietet das Jugendamt kontinuierliche Beratung, Fortbildungsangebote und Supervisionen, um Pflegefamilien bestmöglich zu begleiten. Für die Betreuung des Pflegekindes erhalten Pflegefamilien eine monatliche Aufwandsentschädigung. Interessenten finden weitere Informationen unter diesem Link.

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