Landkreise ziehen sich aus allen Landesgremien im Veterinärbereich zurück

Faire Kostenerstattung angesichts 41 Millionen Euro Defizit gefordert
23.08.2024

Landkreis Cloppenburg. Gelbe Karte für die Landesregierung: Die kommunalen Veterinärbehörden der niedersächsischen Landkreise, die für die Überwachung des Tierschutzes, die Lebensmittelsicherheit und Tierseuchenbekämpfung in der Fläche in Niedersachsen zuständig sind, setzen die Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium in den zahlreichen Gremien weitgehend aus. Das hat das Präsidium des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) und die gemeinsame Konferenz der Landrätinnen und Landräte auf einer Klausurtagung am heutigen 22. August 2024 beschlossen.

Grund für den Boykott der weiteren Zusammenarbeit ist die langanhaltende Weigerung der Landesregierung, die Kommunen für die Aufgabenwahrnehmung im Veterinärbereich fair und auskömmlich finanziell auszustatten. „Es ist bitter, dass es so weit gekommen ist. Aber ein Defizit von 41 Millionen Euro pro Jahr für die Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe ist nicht akzeptabel. Um die permanente Überlastung der Veterinärbehörden einzudämmen und der fortgesetzten Missachtung unserer finanziellen Ansprüche zu begegnen, sind wir zu diesem Schritt gezwungen. Jetzt ist Schluss“, kommentiert der Präsident des NLT, Frieslands Landrat Sven Ambrosy.

Cloppenburgs Landrat Johann Wimberg unterstützt dies und ergänzt: „Der Landkreis Cloppenburg mit dem größten Veterinäramt Deutschlands hat erst kürzlich bei einem Besuch von Ministerin Miriam Staudte klargestellt, dass die Veterinärbehörden eine solide Finanzausstattung zur Erfüllung ihrer zahlreichen Aufgaben benötigen. Anders ist es nicht machbar, ausreichend viel qualifiziertes Personal vorzuhalten. Der parteiübergreifende Schulterschluss der Landkreise macht deutlich, wie ernst die Situation ist.“

Auch der Landrat des Landkreises Vechta, Tobias Gerdesmeyer, kritisiert die mangelnde finanzielle Ausstattung: „Das Land lässt die Landkreise bei vielen übertragenen Aufgaben durch eine chronische Unterfinanzierung im Regen stehen. Das wird besonders bei den Veterinärbehörden deutlich, die seit Jahrzehnten nicht ausreichend finanziert werden. Es ist dem engagierten Einsatz unserer Mitarbeiter zu verdanken, dass alle Aufgaben wahrgenommen werden können. Da das Land die Kosten auch weiterhin nicht vollständig übernehmen will, sehen wir uns gezwungen, die Arbeit zu priorisieren und uns unter anderem aus den Landesgremien zurückzuziehen. Die Pflichtaufgaben werden natürlich erfüllt. Es bleibt zu hoffen, dass das Land endlich seine Verantwortung erkennt und für eine auskömmliche Finanzierung sorgt.“

Ab 1. September 2024 ziehen alle Landkreise geschlossen ihre Beschäftigten aus den zahlreichen Arbeitsgruppen des Landes zurück. Ausgenommen sind die Mitwirkung in gesetzlichen Ausbildungs- und Prüfungsausschüssen und zwingend erforderliche Besprechungen im Tierseuchenkrisenfall sowie bei lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen großen Ausmaßes in Niedersachsen. „Wir bringen allein in 46 Landesgremien unsere fachliche Expertise und Erfahrungen aus der Praxis ein. Hinzu kommt eine große Zahl an Dienstbesprechungen, in der das Ministerium von unserem Sachverstand profitiert, aber nicht für eine faire Kostenerstattung sorgt. Wir konzentrieren uns daher bis auf Weiteres auf die Erfüllung unserer Aufgaben vor Ort“, erläutert NLT-Präsident Ambrosy.

„Seit mehr als zwölf Jahren streiten wir für eine bessere Finanzausstattung der kommunalen Veterinärbehörden“, macht NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer deutlich. Das jährliche Defizit ist in den letzten Jahren rasant angestiegen und mit dem Land der Höhe nach unstrittig. „Die 41 Millionen Euro pro Jahr fehlen für wichtige Selbstverwaltungsaufgaben vor Ort. In einem letzten Versuch haben wir vor der Haushaltsklausur des Kabinetts eine Lösung gefordert, erneut vergeblich. Zwölf Jahre vertrösten ohne irgendeine Entlastung sind ein grobes Foul. Deshalb zeigen wir der Landesregierung die gelbe Karte“, formuliert es Meyer.

Der NLT erwartet nun in den Haushaltsberatungen ein Signal des Landes für eine deutlich bessere Finanzausstattung der kommunalen Veterinärbehörden. Meyer: „Von diesem ersten Schritt einer Beschränkung auf Kernaufgaben werden unsere Kunden, die Bürgerinnen und Bürger und die Landwirtschaft, nur indirekt etwas merken. Aber: Wir werden den heutigen serviceorientierten Standard bei der Abwehr von Gefahren für die Lebensmittelkontrolle, den Tierschutz und der Tiergesundheit nicht halten können, wenn die Landesregierung nicht bereit ist, für engagierte und wichtige Arbeit zum Wohle von Mensch und Tier auch fair die Kosten zu erstatten.“