Alwin Meyer mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet

Lebenslange Arbeit für die „Kinder von Auschwitz“ gewürdigt
16.01.2025

Landkreis Cloppenburg. Der Cloppenburger Alwin Meyer ist für seine jahrzehntelange engagierte Arbeit zum Erhalt und zur Verbreitung der Erinnerungen an die „Kinder von Auschwitz“ mit dem Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. Landrat Johann Wimberg nahm die Ehrung stellvertretend für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Albertus-Magnus-Gymnasium Friesoythe vor, wo auch eine Ausstellung zu dem Thema eröffnet wurde. 232.000 Babys, Kinder und Jugendliche waren von den Nationalsozialisten in das Lager Auschwitz verschleppt worden. Alwin Meyer hat sein ganzes Leben damit verbracht, die wenigen Überlebenden zu suchen, mit ihnen zu sprechen und ihre Geschichten für die Nachwelt aufzubereiten.

Vor der Ehrung hielt Meyer einen Vortrag vor dem zehnten Jahrgang der Schule. Bewegend, emotional und noch immer gepackt von den mit ihm geteilten Erinnerungen, gab er einen Einblick in das unfassbare Leiden, das Kinder hinter den Mauern des Konzentrationslagers Auschwitz erlebt haben. Die Geschichten der wenigen Überlebenden, die als Kinder aus dem Lager befreit wurden, hatte Alwin Meyer durch persönliche Besuche in vielen Ländern gesammelt. Zuvor war nur Weniges über ihr Leid bekannt. „Mit 21 Jahren hielt ich einen Kinderschuh aus Auschwitz das erste Mal in Händen. Damals war ich beteiligt an der Konservierung von Fundstücken. Was ich damals hörte und sah, sollte mich niemals mehr loslassen. Ich war in 34 Ländern auf der Suche und habe in 20 Ländern überlebende Kinder gefunden“, erzählte der Auschwitz-Fachmann im Forum am Hansaplatz.

Manche der Überlebenden habe er bis zu 25 Mal in seinem Leben gesehen. Sachlich, aber noch immer tief erschrocken, beschrieb Meyer die brutalen Bedingungen einer Inhaftierung in Auschwitz, die Kinder und nachfolgende Generationen geprägt habe. Sein gesammeltes Wissen hat er in Büchern, Fachartikeln, Vorträgen und Ausstellungen zusammengetragen. Die Ausstellung „Die Kinder von Auschwitz“ besteht aus Schautafeln, in denen Schicksale und Berichte von Überlebenden dargestellt werden.

Landrat Johann Wimberg eröffnete seine Laudatio mit einem Dank an Alwin Meyer: „Vieles des Wissens über die Behandlung von Kindern und Jugendlichen im Konzentrationslager Auschwitz wäre ohne Alwin Meyer früher oder später verloren gegangen“, erklärte er. Auch Meyers Frau Anne Huhn dankte der Landrat für die Unterstützung über viele Jahre. Weiter hob Wimberg hervor, wie wichtig es sei, die Erinnerungen an diese Verbrechen lebendig zu halten, besonders angesichts des Verschwindens der letzten Zeitzeugen. „Es ist außergewöhnlich“, dass Alwin Meyer „sein ganzes Leben über bei der Sache geblieben ist und nie den Mut verloren hat“, sagte Wimberg. Dies verdiene höchste Anerkennung. Meyer hörte sich Geschichten an von Gaskammern, die mit Säuglingen gefüllt waren, von Mädchen, die barfuß auf gefrorenem Boden stehen mussten oder von Kindern, die nach der Befreiung aus dem Lager nicht wussten, wie man Alltagsgegenstände benutzt oder dass Tod natürliche Ursachen haben kann.

Auch Wimberg erinnerte die Anwesenden an die Grausamkeiten des Nationalsozialismus und die beispiellosen Verbrechen, die bis heute Entsetzen und Trauer hervorrufen. Diese Verbrechen dürften nie vergessen werden. In diesem Zusammenhang warnte er vor der Gefährdung des Gedenkens durch Falschinformationen und Relativierung des Holocausts: „Falschinformationen haben Hochkonjunktur. Menschen, die Angst und Misstrauen säen, um Hass zu ernten, versuchen, den Holocaust kleinzureden, zu verharmlosen oder zu verleugnen“, so Wimberg.

Der Landrat unterstrich, dass Alwin Meyer mit seiner Arbeit entscheidend dazu beitrage, die Wahrheit über die Verbrechen in Auschwitz zu bewahren und den Überlebenden der Hölle von Auschwitz eine Stimme zu geben. „Alwin Meyer setzt mit seiner Arbeit an diesem Punkt an. Er lässt seit langem die Augenzeuginnen und Augenzeugen dieser Verbrechen zu Wort kommen, gibt ihnen eine Stimme und macht damit betroffener, als es jede Zusammenfassung der Vorgänge in Auschwitz könnte.“

Dieses Jahrzehnt werde wohl das letzte sein, in dem Täter von damals noch gelebt haben. Was bleibe, seien die wenigen Überlebenden, die ihre Jugend oder ihre Kindheit eingesperrt in Lagern oder indoktriniert in der gleichgeschalteten Welt des Nationalsozialismus verbracht haben. „Umso wichtiger sollte uns allen sein, unser Augenmerk auf die Opfer zu richten, nachdem viele Jahrzehnte die Täter im Fokus standen“, sagte Wimberg abschließend und würdigte Alwin Meyers Engagement sowie die Bedeutung seiner Arbeit für die zukünftigen Generationen. „Ihre Arbeit wird im Gedächtnis bleiben. Sie wird kommenden Generationen, die niemanden mehr kennenlernen können, der Zeitzeuge war, als Orientierungshilfe dienen“, schloss der Landrat.

Schulleiter Peter Stelter hob hervor, dass die Auszeichnung auch eine Würdigung der Opfer sei, nicht nur eine des Erzählers der Geschichte. „Das äußerst Sympathische an Ihnen ist, dass Sie diese Anerkennung gar nicht möchten. Ihnen geht es um die Sache. Das Schicksal der Kinder, der Mütter und Väter hat Sie nicht mehr losgelassen. Sie möchten, dass diese Opfer nicht in Vergessenheit geraten. Deswegen sollen die Opfer auch heute im Mittelpunkt stehen.“

Hubert Kreke, ein enger Freund, bewunderte in einer Rede die unglaubliche Beharrlichkeit und Disziplin Alwin Meyers, sich täglich über viele Jahrzehnten diesem schweren Thema zu widmen. „Durch dich haben Opfer ihr Gesicht und ihre Stimme wieder zurückerhalten.“ Meyer habe es ausgehalten, an Gartentoren zurückgewiesen zu werden und trotzdem wiederzukommen, um sich als vertrauenswürdiger Zeuge anzubieten. Kreke erinnerte sich an eine Begegnung mit dem Überlebenden Jack Mandelbaum, der freundlich und vorbehaltlos gewesen sei, aber viele Jahre später offenbarte: „Jeden Morgen, wenn ich beim Rasieren in den Spiegel schaue, überlege ich, wie ich diesen Tag überstehen kann.“ Die bedrückende Last gehe auf die nächste Generation über, egal wie sehr sich die Eltern bemüht haben, das vor ihren Kindern zu verbergen. Das Grauen, die menschliche Entwurzelung durch brutale Gewalt, Folter und Todesangst – sie endeten nicht mit Auschwitz. Auch Kreke betonte deutlich, dass es wichtig sei, sich mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen, da heute „die bewusste Lüge als Mittel der Macht“ neue Triumphe feiere.